Lesen Sie hier eine Laudatio von Dr. Angela Beike, Kunsthistorikerin im Rahmen der Ausstellung: Susan Blasius. Malerei am 02.12.2011 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunst im Krankenhaus“
Laudatio zur Ausstellung: Susan Blasius. Malerei am 02.12.2011
im Rahmen der Veranstaltungsreihe: „Kunst im Krankenhaus“
von Dr. Angela Beike
Unter der organisatorischen Verantwortung des Zentrums für Chirurgie präsentiert die Asklepius Klinik Seligenstadt Werke der Alzenauer Künstlerin Susan Blasius. „Kunst im Krankenhaus“ bereits zum sechsten Mal wird in dieser Reihe bildende Kunst in den Räumen der Klinik präsentiert. Doch wieso Kunst im Krankenhaus –ausgerechnet im Krankenhaus und nicht in den Räumen eines Museums oder einer Galerie.
Den Aufenthalt in einer Klinik erfahren Patienten oft als Auszeit und Moment der Verlangsamung. Damit verbindet sich ein gesteigertes Maß an Aufnahmebereitschaft und Empfänglichkeit. Anspruchsvolle Kunstwerke können diese Situation nutzen und den Patienten neue Impulse und Anregungen mit auf den Weg geben. Wenn die Klinik in der Wahrnehmung des Patienten vom angstbesetzten Ort zu einem vitalen Lebensraum werden soll, dann kann die Präsentation von Kunst in den Patientenzimmern, in Fluren und Wartezimmern dabei helfen.
Noch nie wurde die Wirkung von Kunst auf das psychische Wohlbefinden und die Vorgänge im menschliche Gehirn so umfassend untersucht wie in dem Forschungsprojekt, das im Mai diesen Jahres in Nürnberg startete und noch bis ins Jahr 2012 weitergeführt wird. Das Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg und dem Universitätsklinikum Erlangen führt eine interdisziplinäre Studie zur Wirkungsforschung von Kunst durch. Wissenschaftlerinnen aus dem Fachbereich Neurologie, Psychologie und Kunstpädagogik arbeiten dabei zusammen, um die Effekte des Kunsterlebens und des bildnerischen Gestaltens auf die Persönlichkeit einerseits und auf neuronale Hirnaktivitäten und Vernetzungen andererseits zu untersuchen. Erste Ergebnisse zeigen: Kunst hinterlässt Spuren. Kunst bringt das Ruhenetzwerk des Gehirns in Schwung. Der Vernetzungsgrad im Gehirn wird besser, viele Verbindungen, die stumm geschaltet waren, werden plötzlich aktiviert. Neue Spuren werden gelegt. So muss man auf Grundlage der heutigen Erkenntnisse Joseph Beuys (1921-1986) zustimmen, der sagte „Wovon wir ausgehen können ist, dass Kunst und aus Kunst gewonnene Erkenntnisse ein rückfließendes Element ins Leben bilden.“ Kunst treibt die Genesung voran, fördert das Wohlbefinden und kann wichtiger Bestandteil des Heilungsprozesses werden. Denn „der andere Blick“ auf das Krankenhaus hilft, Akzente über das Funktionale hinaus zu setzen. Farben – Symbole – Zeichen können einen positiv motivierenden Einfluss auf den Patienten ausüben, ihn zur Kommunikation mit Anderen anregen und ihn von seiner Krankheit ablenken. Die Präsentation von „Kunst im Krankenhaus“ ist die Präsentation von Kunst am rechten Ort und wie hier in der Asklepius Klinik Kunst und Medizin einen gemeinsamen Weg gehen, so ist auch das Leben der Alzenauer Künstlerin und promovierten Ärztin Susan Blasius geprägt von dieser Symbiose aus Medizin und Kunst.
In ihrer hier in der Ausstellung präsentierten Malerei, die mehrere Jahre ihres Schaffens umfasst, dominiert die Abstraktion. Abstraktion, das ist die mehr oder weniger ausgeprägte stilistische Reduzierung der dargestellten Dinge auf wesentliche oder bestimmte Aspekte. Was als wesentlich gilt, bestimmt hierbei einerseits die Kreativität der Künstlerin, andererseits die Wahrnehmung des Betrachters. Ihre Malerei beschränkt sich auf Form- und Farbklänge und ihre innerbildlichen Bezüge. Farben, Kontraste, Linien und geometrische Formen werden geordnet und komponiert, ohne dass eine absichtliche Abbildung von Gegenständen vorgesehen ist. Bei Susan Blasius haben wir es jedoch nicht mit einer völligen Abwesenheit eines Gegenstandbezuges zu tun. Manchmal lässt das Werk selbst Assoziationen über die Bildidee zu und oftmals erfolgt über den Bildtitel ein Rückbezug auf die zugrundliegende Inspiration.
Die Malerei von Susan Blasius hat als Ausgangspunkt die Naturbeobachtung, persönliche Eindrücke und Erfahrungen. So kann man in einigen Werken durchaus die Verarbeitung von Erlebnissen aus dem Alltag, wohl auch aus dem medizinischen Alltag erahnen. Auch spiegeln die behandelten Themen wie Abschied, Paradies, Warten und die menschlichen Beziehungen im Allgemeinen den Erlebnishorizont eines jeden Menschen, insbesondere aber wohl auch jenen eines Arztes. Vom Ausgangpunkt dieses persönlichen Erlebens entwickelt sich dann das einzelne Werk, wobei alles in die künstlerische Sprache der Malerin übersetzt, zumeist abstrahiert und verfremdet wird. Technisch wird die Inspiration meist in Acryl auf Leinwand ausgearbeitet, die Acrylfarbe meist mit einer Linolwalze aufgetragen. Diese ausgewählte Technik steht dabei stets in einem Spannungsverhältnis von Intention und Improvisation. Grundsätzlich liegt jedem Werk ein Konzept, eine Idee zugrunde, doch dann wird diese ergänzt durch unvorbereitetes Handeln oder im Enstehungsprozess gefundene Strukturen. Blasius nutzt den Zufall und „baut aus, was interessant erscheint.“ Zufall und Konzept verdichten sich zu einer Bildaussage, die von Einheit und Notwendigkeit zeugt. Die Malerei ist Ergebnis eines Arbeitsprozesses, an dem Bewusstsein und Intuition gleichermaßen Anteil haben.
Führen wir uns das Titelbild dieser Ausstellung vor Augen. Im Werk „recht licht“ aus dem Jahre 2008 dominieren die drei Farben blau, weiß und ocker. Das Bild ist geprägt von groben Strukturen. Im Vordergrund liegt statisch ein ockerfarbener Block, der jedoch erste Auflösungserscheinungen aufweist und den Blick durch eine aufsteigenden Bewegung in den Bildmittelpunkt führt. Auch in der zweiten Bildebene herrscht noch immer die Waagrechte vor, die Auflösungserscheinungen werden jedoch durch die kleineren weißen Strukturen verstärkt, so dass sich der Blick in die dritte Bildebene erheben kann. Hier setzt die dynamische und aufsteigende Bewegung der Farbflächen einen Gegenpunkt zur Statik des Bildvordergrundes. Das dunkle Blau der rechten Bildseite vom weißen Farbauftrag links überlagert, wird „recht licht.“ Blasius arbeitet in diesem Werk vor allem mit den Gegensätzen hell und dunkel, statisch und dynamisch. Die Räumlichkeit des Bildes wird durch die Komposition der Farbflächen bewusst aufgebaut und verstärkt. Das Interesse am Raum ist etwas, das sich an vielen weiteren Gemälden dieser Ausstellung betrachten lässt.
Im neueren Werk von Susan Blasius kann man die Erweiterung der Mittel erkennen. Neben dem Material Farbe wird ein zweites Medium eingesetzt, um Raumwirkung zu erreichen, um die Aussagekraft des Werkes zu intensivieren. War früher nur die Farbe kunstwürdig, hält nun eine neue Stofflichkeit Einzug, verdrängt die Dominanz der Farbkraft. Denn die Erweiterung des Materials geht einher mit einer Reduktion der Farblichkeit. Die Zweidimensionalität der Leinwand wird ins Räumliche vergrößert. Die Werke, die nun mehr Reliefs als Gemälde sind, sind Ausdruck des Interesses am stofflich Haptischen aber auch Ausdruck des Interesses an der Raumwirkung. „Das Material bedeutet Inspiration und Widerstand zugleich. Aus dem Wesen, aber auch am Widerstand des Materials formt sich das Bild. Der Charakter des Bildes kann nicht nur der seiner Materialien sein.“, so Emil Schumacher und das ist es, was sich auch hier an Werken von Susan Blasius erkennen lässt. Der Einsatz der Stofflichkeit ändert den Charakter der Bilder grundlegend, er gibt eine Struktur vor, die jedoch dann wieder von Susan Blasius aufgelöst und erweitert wird.
Betrachten wir hierzu das Werk hier rechts, das auch in der Einladungskarte abgedruckt ist, eine Mischtechnik auf Papier. Ganz deutlich ist die Materialität des Bildes zu erkennen. In dynamisch über einander gelegten Bahnen schafft Blasius eine große Räumlichkeit, die durch den anschließenden Farbauftrag noch vergrößert wird. Auch hier lässt sich wieder die eingangs erwähnte Kombination von Konzept und Improvisation erkennen. Die Bewegung der Stofflichkeit liegt dem Werk als Konzept zugrunde, der Faltenwurf des Materials und die kleineren beim Auftrag auf dem Papier entstehenden Strukturen sind jedoch kaum vorhersehbar, werden dann aber von Blasius weiter ausgearbeitet und genutzt. Als Ausgangspunkt ist deutlich die Naturbeobachtung zu spüren. Zu diesem Werk inspirieren ließ sich Susan Blasius auf einer Reise nach Bornholm. Bornholm, die östlichste Insel Dänemarks – die Ostsee, Strände und Dünen, Landwirtschaft, sandige Badebuchten, Nordseeluft, Sonnenschein und Wind. Auf den ersten Blick erkennen, lässt sich diese Grundlage nicht, denn die eigenen Erfahrungen und Eindrücke werden von Susan Blasius verfremdet und chiffriert. Doch dann weckt das Bild Assoziationen. Im Mittelpunkt die Sonne, schnell vorbeiziehende Wolken, etwas graues, gar Schwarzes kommt auf uns zu. Und das ist es, was dem Werk als Idee zu Grunde liegt, der Bildtitel „Wetterwechsel“ bestätigt unsere Assoziationen.
In den hier ausgestellten Arbeiten von Susan Blasius findet sich die Behandlung immer wiederkehrender Themen wie Natur, der Mensch und seine Beziehungen aber auch die grundsätzlichen Fragen nach dem Sein und dem Wohin. Themen, die in unser aller Leben insbesondere aber wohl im Alltag eines Krankenhauses stets gegenwärtig sind. Wir haben zu tun mit einer Kunst, die ansprechend wirkt, nicht destruktiv verneinend, sondern im positiven Sinne ein gefälliger bejahender Ausdruck der Weltsicht von Susan Blasius ist. Einer Kunst, die weit davon entfernt ist, gängige Sehgewohnheiten im Stil dekorativer Gefälligkeiten zu bedienen. Eine Kunst, die uns einlädt, unseren eigenen Gedanken und Assoziationen mehr Raum zu geben.
Ich wünsche Ihnen und allen Besuchern der Ausstellung eine Auszeit vom Alltag insbesondere vom Klinikalltag beim Betrachten der Malerei. Geben Sie der Kommunikation mit oder über die Werke Raum, tauchen Sie ein in die Landschaften und Seelenbilder von Susan Blasius. Lassen Sie die Kunst Spuren hinterlassen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit